(Deutsch) „Ich habe bei Fridays For Future so unglaublich viel gelernt, mehr als in den verpassten Unterrichtsstunden.“
Ein Interview mit Hannah Blitz (16), Schülerin, Aktivistin und Pressesprecherin der Fridays For Future Berlin. Sie wird die diesjährige Verleihung des European Youth Culture Award am 6. September mit einer kurzen Rede eröffnen.
Es gab immer wieder Proteste von Schüler*innen, zum Beispiel Schulstreiks und Besetzungen von Straßenkreuzungen während des ersten Golfkriegs, Uni-Besetzungen in Berlin usw., aber noch nie so viele Reaktionen aus der Erwachsenenwelt, auch aus der Politik. Wie beurteilst du das? Ist das ernst zu nehmen oder nur folgenloser Opportunismus?
Ich kann zwar nicht in die Köpfe der Menschen reinschauen, aber ich nehme stark an, dass nicht alle Reaktionen rein opportunistisch sind. Klimaschutz geht alle was an und ist natürlich auch in der Politik mittlerweile ein großes Thema. Wir freuen uns über die große Aufmerksamkeit, die unsere Bewegung und das Thema erlangt haben. Ich kann natürlich nicht in die Zukunft schauen und vorhersagen, ob politisch in unserem Interesse gehandelt wird. Wir können und werden aber weiter Druck machen!
Wie bist du selbst zu den Fridays For Future gekommen?
Auf Fridays For Future bin ich schon relativ früh aufmerksam geworden. Aber mich aktiv engagiert habe ich erst, als meine kleine Schwester von alleine Mitte Dezember 2018 zu einem der ersten Streiks gegangen ist. Da ist mir nochmal mehr bewusst geworden, dass die Klimakrise uns alle angeht, aber vor allem meine und die darauffolgenden Generationen. Das ist meine Zukunft, die hier verspielt wird! Mit den Gedanken habe ich mich auch beteiligt und bin dann irgendwie in die Orga reingerutscht. Innerhalb weniger Wochen habe ich von Demo anmelden bis zu Pressekoordination bei Fridays For Future so unglaublich viel gelernt, mehr als in den verpassten Unterrichtsstunden. Ohne Fridays For Future wüsste ich nicht mal halb so viel über die derzeit unzureichende Klimapolitik!
Könnt ihr eigentlich sagen, wie viele Jugendliche sich inzwischen bei FFF engagieren, also nicht nur zu den Demos kommen, sondern auch sich darüber hinaus engagieren?
Das kann ich natürlich schlecht zählen, aber wir haben regelmäßig dienstags ein ziemlich gutbesuchtes Plenum. Dort sind alle herzlich eingeladen, sich einzubringen und mitzugestalten!
Zur Europawahl im Mai hat ein YouTube-Video Aufsehen erregt, in dem rund 100 Vlogger ihre Fans gebeten haben: „Wählt nicht die CDU/CSU, wählt nicht die SPD. Wählt auch keine andere Partei, die so wenig im Sinne von Logik und der Wissenschaft handelt mit ihrem Kurs unsere Zukunft zerstört. Und wählt schon gar nicht die AfD, die diesen Konsens sogar leugnet.“ Was hältst Du davon? Könnte es sein, dass Fridays For Future auch Politiker*innen auf diese Weise unter Handlungsdruck setzt?
FFF steckt zwar nicht die Nase in die Stimmzettel von anderen, aber wir plädieren immer klar an alle, dass man sich doch bitte die Partei-Wahlprogramme anschaut und sich dann gut überlegt, welche Partei in punkto Klimaschutz die Nase vorn hat. Und dass da Parteien wie AfD und CDU wegfallen, ist dann vorhersehbar.
In Berlin darfst du ja mit 16 nicht einmal den Senat mitwählen, obwohl alle Regierungsparteien eigentlich in ihren Wahlprogrammen ein Wahlrecht ab 16 versprochen hatten. Würdest du überhaupt wählen gehen, wenn du dürftest?
Auf jeden Fall! Ich weiß zwar nicht, wen ich wählen würde, aber dass ich es tun würde, steht nicht zur Debatte. Schon alleine deswegen würde ich mein Wahlrecht wahrnehmen, weil sonst Parteien wie die AfD bei weniger Stimmen prozentual mehr Sitze bekommen würden!
Welche Reaktionen hast du von deinen Mitschüler*innen bekommen? Es finden ja nicht alle Fridays For Future gut und viele machen da auch nicht mit …
Fast alle Reaktionen von Mitschüler*innen, die ich mitbekommen habe, sind super positiv und aufgeschlossen. Das liegt vielleicht daran, dass meine Schulleitung zum Glück sehr offen gegenüber Fridays For Future steht. Auch generell gehen an meiner Schule überproportional viele Schüler*innen zu den Streiks. Ich bin aber der Meinung, dass politisches Desinteresse viel verheerender ist als reine Ablehnung. Wenn sich niemand mit den eigentlichen Problemen befassen will, wer sorgt dann dafür, dass sie ins breite öffentliche Bewusstsein getragen werden? Deswegen halte ich Aufklärungsarbeit über die Klimakrise an Schulen so wichtig. Denn nur so können wir geschlossen die wohl größte Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert angehen.
Haben Berliner Schüler*innen schon Stress mit Schulleitungen und Lehrer*innen bekommen wegen ihres Fehlens am Freitag oder haben euch im Gegenteil Schulleitungen und Lehrer*innen sogar aktiv unterstützt?
Bis jetzt hatten wir schon alles von Ehrenurkunden bis zu Tadel dabei. Die Bandbreite der Reaktionen der Schulen ist riesig! Wir hatten sogar schon mal in Berlin den Fall, dass Schülern gedroht wurde, nicht versetzt zu werden. Zum Glück konnte man die Sache regeln und letztendlich hat die Schulleitung ihre Drohung zurückgezogen. Aber es geht auch anders: Ich kenne viele Leute, die offen von Schule und Lehrer*innen unterstützt werden und keine Angst vor Repressionen haben müssen.