European Youth Culture Award
Allgemein EYCA 2018

Zeitgeist aus dem 3D-Drucker

Der zweiten Verleihung des European Youth Culture Awards sieht Award-Designer Lars Hetmanek gelassen entgegen. In diesem Jahr wird er das Aussehen der Trophäe nicht verändern. Dass der Preis in Zukunft sein Gesicht wandelt , ist aber Teil des Plans. 

„So wie sich Merkmale und Attribute von Jugend entwickeln, habe ich die Trophäe flexibel halten wollen, eine Wundertüte, die dem Zeitgeist entspricht“, sagt Lars Hetmanek in seinem Atelier in Berlin-Prenzlauer Berg. Er sei „nur der Designer“ des internationalen Jugendkulturpreises, sagt der gebürtige Thüringer bescheiden. Gleichwohl einer, der den Auftrag authentischer nicht hätte ausführen können. Hetmaneks kreatives Schaffen basiert auch darauf, dass er seine Jugend als bedeutsame Zäsur erlebte.

Der Computer hat das letzte Wort, doch ohne Zeichenstift geht gar nichts bei Designer Lars Hetmanek.

Eine Gitarre, ein Game-Controller, eine Graffiti-Spraydose, das sind nur drei der vielen Symbole, die der Designer in die Preisstele eingearbeitet hat. Detailliert, ideenreich, augenfällig, so kommt der Adward daher, in Gestalt eines Ausrufezeichens, dessen Balken angefüllt ist mit „Insignien“ der Jugendkultur(en). Das erlaubt das Spiel mit Zuordnungen – und Klischees.

„Jugendkultur ist immer auf dem neuesten Stand“, findet Lars Hetmanek. Entsprechend war sein Gedanke, als er den Entwurf ausführte, „dass ich modernste digitale Technologie ins Spiel bringen muss. Jugendkultur heute steht für digitales Leben“. Gesagt, getan: Der Preis kam aus dem 3D-Drucker. Bis er den fertigen Award in den Händen hielt, musste der Designer allerdings einige Adrenalinschübe parieren: „Wie komplex es sein würde, alle Objekte zu einer Datei zu bündeln und so in Form zu bringen, dass sie der Drucker am Ende schluckt, habe ich völlig unterschätzt. Das waren Tausende Datenelemente.“ Der Stress hat sich gelohnt, das Ergebnis fand allseitige Zustimmung. Im EYCA-Jahr Nummer zwei wird Lars Hetmanek seinen Entwurf nicht anfassen. Das geht auch mit dem Zeitgeist in Ordnung.

Der Wahl-Berliner, in Ilmenau im Thüringer Wald aufgewachsen, erlebte die Wende auf dem Sprung in die eigene Unabhängigkeit. 1990 wurde er volljährig. Seinen Lehrberuf als Elektroinstallateur gab Lars Hetmanek auf und schulte um auf Produktdesign. „Künstlerisch interessiert war ich schon immer, aber in der DDR wäre Künstler ein schwieriger Berufsweg geworden.“ Stattdessen blieb er – Stichwort Attribut der Jugend – „der Sonderling auf der Baustelle“. Bis die Mauer fiel.

Seine Jugend in den 1980er Jahren fasst er mit dem Schlagwort „Cliquenbewegung“ zusammen. „Das war typisch für damals. Die Cliquen waren von Äußerlichkeiten bestimmt, die man durch seine Kleidung oder Accessoires verfeinert hat.“ Schnell gewöhnte sich der Handwerkerssohn an, „kreativ zu sein und das, was es gab so umzunutzen, dass nicht mehr auffiel, was es alles nicht gab“. Upcycling heißt knappe 30 Jahre später das Wort dafür. Dass die damalige Nachhaltigkeit vielfach aus der Not geboren war, nehmen junge Menschen heutzutage kaum mehr wahr. Für Lars Hetmanek ist sie nachträglich zur Inspirationsgrundlage geworden.

„Dass die Individualität ostdeutscher Jugendlicher in den 1980ern Kreativität voraussetze, kommt mir heute zugute.“

Mit der Wende verlor sich dieser Ausdruck von Jugendkultur. „Plötzlich gab es alles, was man zuvor nur aus der Bravo kannte.“ Die Jugend legte das Spiel mit Funktion, Fertigung und Umnutzung ab. Als sich Lars Hetmanek in Berlin selbständig machte, griff er es wieder auf. Ohne Jugend, kein Design.

Von Tanja Kasischke, Fotos: Privat